Susanne von "MINT Zukunft schaffen" erzählt in unserem neusten Interview, wie die Initiative junge Menschen für MINT-Berufe begeistert und die digitale Bildung vorantreibt. Susanne teilt ihre Einblicke und Herausforderungen der digitalen Bildung und erklärt, wie IT dabei eine zentrale Rolle spielt.
Das ITgirl im Profil
Name: Susanne Lettner
Position: Leiterin Marketing und Kommunikation
Traumberuf als Kind: Lehrerin
Unternehmen: MINT Zukunft e.V.
Kannst du dich kurz vorstellen und erzählen, was deine Aufgabe bei MINT Zukunft schaffen ist?
Hallo, ich bin Susanne und mit Leidenschaft engagiere ich mich seit Jahren aktiv für den Praxistransfer und die Wissensvermittlung im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), denn zeitgemäße Bildung, Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in der Bildung sind von mir ein Herzensprojekt. Seit Oktober 2023 bin ich als Leiterin Marketing und Kommunikation für die Nationale Initiative „MINT Zukunft schaffen!" tätig. Gemeinsam im Team erstelle und verschicke ich Mailings und Pressemitteilungen, koordiniere Interviews und Presse-Anfragen von Zeitungen, Fachzeitschriften und Online-Medien. Zu meinen Aufgaben gehört auch die Betreuung unserer Webseite und Social Media Accounts. Hier stellen wir z.B. unsere MINT-Botschafter:innen im Interview und unsere Schulen in unserer Kategorie “IM FOKUS” vor und veröffentlichen interessante MINT Max-Angebote für unsere Schulen und News unserer Partner. Darüber hinaus sind wir das größte MINT-Netzwerk in Deutschland. Zu unserer Vereinscommunity gehören unsere Mitglieder, Kuratoren und Förderer–unser Schirmherr ist Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch sie informieren wir regelmäßig mit News über unsere Aktivitäten und sorgen dafür, dass sich unsere MINT-Community austauschen kann, indem wir jährlich unsere MINT-Jahreskonferenz veranstalten.
Was sind die Ziele der Initiative?
Unsere Mitglieder setzen sich–auch gemeinsam mit unseren ehrenamtlichen MINT-Botschafter:innen–für die Stärkung der MINT-Bildung ein.
Wir haben den Schwerpunkt, Schüler:innen für MINT zu begeistern und Schulen im Bereich MINT zu motivieren, fördern und auszuzeichnen.
Hierzu nehmen wir insbesondere die MINT-Profile von Schulen im Allgemeinen sowie des Informatik- bzw. Digitalisierungsprofils im Besonderen durch die Programme „MINT-freundliche Schule" und „Digitale Schule" in den Blick. Durch unsere Signets zeichnen wir Schulen mit einem MINT-Profil (MINT-freundliche Schule) oder einem digitalen Profil (Digitale Schule) aus und helfen ihnen durch unseren Qualitätsleitfaden, ihren Unterricht zu verbessern. Unsere weiteren Ziele sind die Erhöhung der Zahl der Studienanfänger:innen in MINT-Studiengängen an den Hochschulen in Deutschland und dabei insbesondere die Erhöhung des Frauenanteils, die Sicherung und Steigerung der Qualität der Absolvierenden von MINT-Studiengängen und -Ausbildungsberufen. Unsere weiteren Aktivitäten sind die monatliche Erhebung der MINT-Lücke und das halbjährliche MINT-Reporting im Rahmen des MINT-Meters, die MINT-Awards für Studierende und den Studentenpreis für Unternehmen „MINT Minded-Company". Auch ein Stipendium für Studierende vergeben wir. Diese Maßnahmen werden gemeinsam mit unseren Förderern und Partnern durchgeführt.
Foto: © Fabian Vogl
Warum ist die Initiative MINT Zukunft schaffen aus deiner Sicht notwendig?
Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist gefährdet durch den Mangel an Nachwuchs in den MINT-Qualifikationen. Der Engpass an naturwissenschaftlich-technisch qualifizierten Fachkräften ist ein strukturelles Problem, das schon heute als Wachstums- und Innovationsbremse einen hohen Wertschöpfungsverlust für die deutsche Volkswirtschaft verursacht–mit steigender Tendenz.
Engpässe bei MINT-Fachkräften gibt es sowohl im akademischen Bereich als auch im Bereich der qualifizierten MINT-Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung. Hier werden in gravierendem Umfang Bewerber:innen fehlen. Absolvierende von MINT-Ausbildungs- und -Studiengängen sind gefragte Technologieexpert:innen und finden attraktive Berufseinstiege und Karrierewege–nicht nur in Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, in der Chemie oder in der IT-Branche, sondern auch zunehmend in der Dienstleistungsbranche wie z. B. in Banken und Versicherungen. Um die Zahl qualifizierter Bewerber:innen für MINT-Ausbildungsberufe und MINT-Studiengänge signifikant zu steigern und somit unseren Wohlstand auch in Zukunft zu gewährleisten, müssen alle Talentquellen ausgeschöpft und Bildungsbarrieren konsequent abgebaut werden. Unterricht und Lehre in den MINT-Fächern müssen an Schule und Hochschule quantitativ und qualitativ verbessert werden. Neben der Bedeutung der MINT-Bildung für die eigene berufliche Entwicklung bildet sie auch die Grundlage für die Teilhabe an unserer von Wissenschaft und Technik geprägten Welt im Sinne einer umfassenden Chancengerechtigkeit und fördert kreativ-gestalterische Kompetenzen. Die Kenntnis mathematisch-naturwissenschaftlicher Zusammenhänge ist Voraussetzung für einen verantwortlichen Diskurs zu wissenschaftlich-technischen Entwicklungen der Gegenwart und der Zukunft. Wir wollen zu einer positiven Einstellung von jungen Menschen, Eltern, Lehrkräften sowie einer breiten Öffentlichkeit zu MINT beitragen. Die notwendige Stärkung von MINT-Fähigkeiten und -Fertigkeiten betrifft alle Bildungsbereiche: von der frühkindlichen Bildung über die allgemeinbildende Schule, die Berufsbildung, die Hochschule und die berufliche Weiterbildung. Unsere Hauptzielgruppen sind einerseits Schüler und Schülerinnen aller Altersklassen, andererseits Studienanfängerinnen und -anfänger sowie Studierende. Adressiert werden die Hauptzielgruppen mit unseren Programmen „MINT-freundliche Schule" (Etablierung eines MINT-Schwerpunkts) und „Digitale Schule" (Statusfeststellung zur Digitalisierung). Als bundesweites MINT-Netzwerk setzen wir zukunftsorientiert und wegweisend Zeichen für positive Veränderungen und bieten den zahlreichen, seit vielen Ja ren erfolgreich vorhandenen MINT-Einzelinitiativen der Verbände und Unternehmen eine breite Multiplikator Plattform, um durch ein gemeinsames Auftreten eine kritische Masse zu erreichen und politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Wie siehst du die Zukunft digitaler Bildung in Deutschland und welchen Stellenwert hat deiner Meinung nach digitale Bildung in der Politik?
Mittlerweile tragen ca. 2.600 Schulen unsere Auszeichnungen „MINT-freundliche Schule" und“Digitale Schule" und auch die Bundesregierung unterstützt den digitalen Umbau von Schulen mit dem DigitalPakt. Allerdings müssen wir bei der Umsetzung mehr Tempo machen. Denn wir brauchen noch viel mehr Schulen, die auf der Höhe der Zeit ausgestattet sind und MINT-Kompetenzen vermitteln. In der am 13.06.2024 beschlossenen Neufassung der MINT-Empfehlung der Kultusministerkonferenz (KMK) wird die Bedeutung von „MINT-freundlichen Schule" an mehreren Stellen hervorgehoben. Diese spielen eine Schlüsselrolle bei der Förderung von MINT-Kompetenzen und werden als Modellbeispiele genannt. Unsere Zertifizierung als „MINT-freundliche Schule" soll Schulen ermutigen, sich verstärkt im Bereich der MINT-Bildung zu engagieren und entsprechende Programme zu entwickeln und umzusetzen.
Besonders betont wird in der KMK-Empfehlung auch die Bedeutung der Informatik sowie die Verknüpfung von MINT-Bildung mit Themen der Digitalisierung und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die Qualität des MINT-Unterrichts wird als zentraler Faktor für den Bildungserfolg gesehen.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der beruflichen Orientierung im MINT-Bereich. Auch hier bietet unsere Zertifizierung Schülern durch Kooperationen mit Hochschulen und Unternehmen sowie durch Praktika und Wettbewerbe vielfältige Möglichkeiten, MINT-Berufe kennenzulernen.
Welche Kriterien muss eine Schule erfüllen, um die Auszeichnung“Digitale Schule”zu erhalten?
Schulen in Deutschland stehen vor der Herausforderung der Digitalisierung. Unter der Leitung der Gesellschaft für Informatik und unter Mitwirkung weiterer Partner, haben wir einen „Leitfaden für digitale Schulen" entwickelt. Mit diesem Leitfaden, sowie der Möglichkeit diesen durch Experten bewerten zu lassen, können Schulen eine Standortbestimmung bzw. Selbsteinschätzung zum Thema „Digitalisierung" vornehmen und Anregungen erhalten, wie ihr digitales Profil geschärft werden kann. Unser Kriterienkatalog „Digitale Schule" umfasst fünf Module: Pädagogik & Lernkulturen, Qualifizierung der Lehrkräfte, regionale Vernetzung, Konzept und Verstetigung sowie Technik und Ausstattung. Die fünf Module sind orientiert an der KMK-Strategie „Digitale Bildung" und wurden von Fachexpert:innen und Wissenschaftler:innen der o.g. Verbände entworfen. Die Ehrung „Digitale Schule" ist wissenschaftlich basiert, verbandsneutral und unabhängig. Alle Schulen können sich auf unsere Auszeichnung „Digitale Schule" bewerben. Bei erfolgreicher Bewertung wird die Schule dann als „Digitale Schule" geehrt. Die Ehrung als Digitale Schule hat eine Gültigkeit ab Ehrung von drei Jahren. In dieser Zeit werden die Schulen auf unserer Webseite als geehrte Schule gelistet und sind auch im Dashboard der ausgezeichneten Schulen präsent. Wenn nach drei Jahren keine erneute Bewerbung vorgelegt wird, verliert das Signet seine Gültigkeit.
Foto: © MINT Zukunft schaffen
Wie kann die Initiative genutzt werden, um das Interesse von Schüler:innen an MINT-Berufen zu wecken?
Unsere Partner und unser starkes Netzwerk unterstützen die Schulen bei der Bewerbung, Förderung und Entwicklung zur „MINT-freundlichen Schule" und zur „Digitalen Schule" durch das MINT MAX-Partnerprogramm. Die Angebote berücksichtigen unseren Code of MINT. Im MINT MAX-Partnerprogramm finden sich spannende Unterrichtsmaterialien und tolle Angebote unserer Schulpartner. Die Angebote sind für unsere teilnehmende Schulen kostenlos. Über unsere Mailings informieren wir unsere Schulen, die unser Signet tragen, über die unsere MINT MAX-Partnerprogramme, die helfen das Interesse von Schüler:innen an MINT-Berufen zu wecken.
Welche Tipps hast du für Unternehmen, um MINT-Talente zu fördern?
Exkursionen oder Vorträge bei Schulen und Hochschulen sind eine gute Möglichkeit, das Interesse bei jungen Menschen zu wecken und den ersten Kontakt aufzubauen. Ich rate Unternehmen den Kontakt mit Schulen und Hochschulen direkt zu suchen. Gerne stellen wir auch Kontakte her. Meine Erfahrung im Forschungsbereich und in der Wirtschaft hat gezeigt, bei MINT-Events z.B. beim Girls' Day oder Karriere-Infotagen möglichst verschiedene Programmpunkte einzuplanen und ein abwechslungsreiches Programm zu bieten–wie eine Führung durch das Unternehmen, eine Diskussionsrunde und auch einen praktischen Teil. In der Diskussionsrunde können die Teilnehmenden viele Fragen stellen und die Arbeitnehmer:innen berichten authentisch von ihrem Berufsweg und ihrem Arbeitsalltag, z.B. welche Herausforderungen es gibt und an welchen spannenden Projekten sie gerade arbeiten. Gut kommt auch immer der praktische Teil an, bei dem die Teilnehmenden selbst aktiv werden dürfen. Neben Berufsinfo-Veranstaltungen sind auch Praktika (für Schüler:innen/Studierende), Abschlussarbeiten (Bachelor/Master) oder Duale Studien eine gute Möglichkeit, junge Talente für MINT zu begeistern und ihnen ganz automatisch den Arbeitsplatz im MINT-Bereich näher zu bringen.
Damit der Austausch überhaupt zustande kommt, ist eine gute Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Schulen/Hochschulen Grundvoraussetzung. Arbeitgeber und Bildungseinrichtungen sollten sich partnerschaftlich begegnen, denn von der Zusammenarbeit profitieren beide Seiten nachhaltig.
Was motiviert dich persönlich, dich besonders für die Förderung von IT in den MINT-Fächern einzusetzen?
Durch mein persönliches IT- und MINT-Engagement versuche ich, junge Menschen, insbesondere Mädchen und junge Frauen zu ermutigen, sich für diesen Bereich zu entscheiden. Um ein positives Image für den IT- und MINT-Bereich zu erreichen, helfen gute Beispiele aus der Praxis–wie euer tolles Netzwerk ITgirls!
Berichterstattungen in den Medien können zeigen, dass ein Arbeitsplatz im IT-Bereich kreativ und abwechslungsreich ist. Denn gerade auch zu zeigen, dass Frauen im IT-Bereich aktiv vertreten sind, hilft Mädchen, sich selbstbewusst für diesen Bereich zu entscheiden.
So engagiere ich mich seit April 2016 ehrenamtlich als MINT-Botschafterin, um mehr junge Menschen für IT zu begeistern.
Wie siehst du die zukünftige Entwicklung von IT in der MINT-Förderung?
Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK), das Beratungsgremium der Kultusministerkonferenz (KMK), hat am 19. September 2022 ihr erstes großes Gutachten mit konkreten Handlungsempfehlungen vorgelegt. Es geht darum, das Bildungssystem der Bundesrepublik zukunftsfähig für die Anforderungen einer digitalisierten Welt aufzustellen. In dem Gutachten werden tiefgreifende Veränderungen in allen Bildungsetappen, von der Kita bis zur Hochschule, empfohlen. > Zu den kurzfristigen Maßnahmen im Schulbereich gehört die Einführung eines Pflichtfachs Informatik in der Mittelstufe ab dem Schuljahr 2024/25 in allen Bundesländern. Bereits in der Primarstufe sollen Inhalte der Informatik verpflichtend unterrichtet werden, jedoch nicht als eigenes Fach, sondern im Rahmen des Sachkundeunterrichts.
Auch in der Sekundarstufe II soll das Informatik-Angebot ausgebaut und der MINT-Fächergruppe zugeordnet werden. Ziel sollte sein, damit mindestens ebenso viele Schülerinnen und Schüler zu erreichen wie etwa mit den Fächern Chemie oder Physik. Die SWK empfiehlt, die Vorgaben für die Abiturprüfung so zu regeln, dass mindestens ein Prüfungsfach aus der MINT-Fächergruppe stammen muss. Daher hoffe ich, dass Informatik bald ein Pflichtfach in Deutschland ist, was längst überfällig ist.
Wie kann man sich bei "MINT Zukunft schaffen" engagieren?
Jede:r kann sich bei uns als ehrenamtliche:r MINT-Botschafter:in einbringen und so jungen Menschen helfen, sich für MINT zu entscheiden. Vorausgesetzt man hat Erfahrungen in MINT gemacht und bearbeitet aktuell spannende Fragestellungen im MINT-Bereich. Und ist bereit, diese Erfahrungen jungen Menschen zur Verfügung zu stellen und sie mit ihren Erfahrungen für MINT zu begeistern. MINT-Botschafter:innen können mit Schüler:innen oder Studierenden die Besichtigung ihres Unternehmens (bspw. des Forschungslabors) durchführen, die finanzielle oder/und ideelle Förderung von Schulnetzwerken initiieren, Lehrkräften und/oder Erzieher:innen ihr MINT-Berufsbild vorstellen und Informationen über MINT-Berufe bereitstellen
Für alle, die mehr über ähnliche Programme erfahren möchten: Tech4Girls, Girls'Day und CoderDojo sind nur eine Auswahl vieler toller Initiativen, die jungen Frauen IT näher bringen.